Zurück in der Zivilisation, direkt ins Herz für Adrenalin-Junkies. Willkommen in Whistler! Das Mekka der Extremsportarten infiziert uns schnell: Mit über 100 km/h fliegen wir beim Ziplining über die Baumwipfel der Rocky Mountains und genießen in den letzten Tagen Kanada die Vorzüge einer kleinen, lebenswerten Stadt. Warum wir dabei fast unseren Rückflug verpassen, lest ihr in diesem letzten Beitrag der großen Canada-Calling-Throwback-Serie.
Tag 18: Über den Wolken Baumwipfeln
Diesen Morgen starten wir mit einer Premiere: Wir duschen zum ersten Mal im Wohnmobil. Nach vier Tagen ohne geht es einfach nicht mehr. Und es ist super! Ich frage mich, warum wir das nicht viel öfter gemacht haben – herrlich! Wie neu geboren fahren wir nach Whistler, bringen unseren Siggi zum Campground (unsere Site ist für den dreifachen Preis von gestern ungefähr ein Drittel so groß!) und laufen von dort zu Fuß in die Innenstadt. Whistler ist ein nettes Städtchen mit vielen Bars, Restaurants, Cafés, Shops und Action. Am Olympiazeichen vorbei bummeln wir durch die Läden und gehen im Black’s Pub an der Whistler Gondola eine Kleinigkeit essen. Hier haben wir den perfekten Blick auf den Mountainbike-Trail. Hier wuseln so viele Menschen herum, ich bin komplett überfordert. Es scheint, als wäre hier heute Half-Tough-Mudder gewesen – das sind echt krasse Muddis. Respekt. Whistler, das Mekka für Extremsportarten.
Da können wir ja fast nicht nein sagen und buchen bei dem sympathischen Typ von SuperFly die Twilight Tour im Ziplining um 16.30 Uhr. Ich muss gestehen, so richtig begriffen, was da genau passiert, habe ich nicht mal nach dem Werbevideo. Aber wenn ich beim Rafting was gelernt habe, dann: No Risk, No Fun! In Buggys inklusive Motorradhelmen werden wir von der Homebase zu den Lines auf den Berggipfel gefahren. Nach einer kurzen Einweisung geht’s schon los: Angegurtet an die Line gibt unser Guide das Go: „Are you ready to fly?“ In über 180 Metern Höhe fliegen wir über einen Kilometer über Whistlers Berge, die Baumkronen erscheinen mini unter uns. Ich schreie mir vor Aufregung die Seele aus dem Leib. Freiheit, Adrenalin, Abenteuer! Was für ein Gefühl! Mitten durch die Wolken. Und da höre ich es wieder: Canada calling! Hi Kanada, hier bin ich – mittendrin statt nur dabei! Es folgen noch drei weitere Lines, mit jedem Mal werden sie steiler und schneller. Wir schaffen bis zu 100 Stundenkilometer. Dieses Gefühl ist wirklich unbeschreiblich!
Als wir zurück in der Stadt sind, gönnen wir uns bei der Rocky Mountain Chocolate Factory ein Eis, himmlisch lecker! Whistler – was bist du für eine coole Stadt!
Tag 19: The heat is on!
7.30 Uhr – der Wecker klingelt und innerhalb von 20 Minuten sind wir bereit zur Abfahrt. Nach über zwei Wochen Wohnmobil-Routine sitzt mittlerweile jeder Handgriff: Bett gemacht, Zahnbürste & Co. entsprechend stabil in den kleinen Schrank drapiert (am ersten Tag kam mir beim Öffnen des Spiegelschranks vom Deo bis zur Sonnencreme alles entgegen), Geschirr und Müll verstaut (den haben wir in den ersten Tagen auch schon unterm Sitz vorsammeln dürfen) und Kühlschrank geschlossen; einmal rausgekehrt, Slide-Out eingefahren und los geht’s. So früh haben wir es im ganzen Urlaub noch nicht geschafft. Aber heute haben wir auch ein ganz besonderes Date zum Frühstück. Wir parken Siggi im Parking Lot 5 vor den Toren der Stadt Whistler. Die Parkplätze 4 und 5 sind gratis, früh da sein lohnt sich! Geheimtipp: hier ist Overnight-Parking erlaubt. Wer also mit vollausgestattetem Wohnmobil oder ohne Ansprüche unterwegs ist, kann hier problemlos for free übernachten. Wir haben es leider zu spät gesehen, hätten uns den völlig überteuerten Campground aber auf jeden Fall gespart, wenn wir das gewusst hätten. Ausgestattet mit unseren Deutschland-Trikots pilgern wir los. Nachdem wir die komplette Fußball-EM 2016 aufgrund von Internet-Abstinenz verpasst haben, haben wir gestern beim Mails-Checken gesehen, dass es unsere Mannschaft ins Achtelfinale geschafft hat.
Punkt 9 Uhr sitzen wir zum Anpfiff in der hiesigen Sportsbar. Die Atmosphäre im Tapley’s ist so typisch Sportsbar: ein bisschen versifft, es riecht nach Frittenfett, Alkohol und Chlor-Putzmittel, aber eigentlich ist man gerne hier. Und das zum Frühstück – was man nicht alles tut, um die deutsche Elf zu unterstützen! Um die knapp 20 Fernseher tummeln sich sagenhafte zehn Leute. Manu bestellt Bier – igitt. Morgens um 9 ohne Frühstück. Eine halbe Stunde und das erste Tor für Deutschland später steht auch vor mir ein Corona – das EM-Fieber hat uns gepackt. Zur Halbzeit gibt’s dann statt Brötchen oder Oatmeal Chicken-Wings zum Frühstück. Der Barkeeper trägt auch ein Deutschland-Trikot und grinst, als er den Teller auf den Tisch stellt: die Taco-Chips als Beilage tragen die Farben schwarz-rot-gold. Zufall oder Schicksal? Auf jeden Fall Glücksbringer! Nach drei Toren und mit dem Einzug ins Viertelfinale machen wir uns gut gelaunt auf in die Stadt. Im Longhorne Slim Saloon bestelle ich einen megaleckeren Burger, während wir den Mountainbikern beim Downhillen zugucken und uns in der Sonne brutzeln lassen. Als mir von der künstlichen Bewässerungsanlage über uns Wasser ins Gesicht gesprenkelt wird, weiß ich: heute werden wir einen neuen Hitzerekord aufstellen. It’s summertime in Canada, endlich!
Einen kurzen Sonnencreme-nachladen und Bikini-anziehen Zwischenstopp später, wandern wir durch den Wald zum Lost Lake, wo wir uns für ein paar Stunden in die Sonne legen und mit den Füßen ins noch sehr frische Wasser stapfen. Viele Mutige sind schon komplett eingetaucht, mir ist es zu kalt und Manu schnarcht lieber neben mir sein Bierfrühstück aus. Ich beobachte die Leute und frage mich, warum man uns Deutsche eigentlich immer gleich erkennt und ob das andere über uns auch sagen. Irgendwie sind wir schon speziell. Manchmal im positiven Sinne, manchmal nicht. Wenigstens trägt keiner weiße Socken in Sandalen…
Über das Upper Village, wo beim Farmers Market lokale Spezialitäten auf der Straße verkauft werden, laufen wir zurück in die Stadt und ich komme einfach nicht an der Rocky Mountains Chocolate Factory vorbei. Yummi – nochmal ein leckeres Eis zum Abschied!
Zurück im Camper zeigt die Temperaturanzeige über 36 Grad an. Nach den letzten Wochen fühlt sich das an wie eine Sauna. Während Manu seinen o-Ton Hitzschlag (oder doch Rausch?) ausschläft, trucker ich los in Richtung Squamish.
Unterwegs stoppen wir noch bei den Brandywine Falls, bevor wir am Alice Lake Provincial Park unser Nachtlager für die nächsten zwei Tage aufschlagen. „Lass uns unbedingt für Dienstag noch einen Campground bei Vancouver reservieren, ich will nicht am letzten Tag unseres Urlaubs in der Gegend rumfahren müssen, um eine Übernachtungsmöglichkeit zu suchen“, erinnere ich Manu, als ich merke wie voll die Stellplätze hier schon sind. „Jetzt machen wir erstmal Feuer, morgen ist auch noch ein Tag.“ Internet haben wir ja eh keins. Ich werde ein bisschen wehmütig. Am Mittwoch ist alles schon wieder vorbei, drei Wochen Kanada, zack bum zu Ende.
Als hätte unser Siggi unseren Wehmut gespürt, streikt er auf einmal beim Slide-Out, alles verklemmt, nichts geht mehr. Mit Mühe und Not kriegen wir ihn wieder rein. Ach Siggi, lass uns auf den letzten Metern bitte nicht im Stich, wir wollen doch auch noch nicht gehen…
Tag 20: Aus dem Kapitel: das war knapp!
Die erste verschwitzte Nacht liegt hinter uns und die Sonnenstrahlen kämpfen sich ihren Weg durch die hohen Bäume, als wir um 9 aus unserer Schlafhöhle klettern. Wir haben gestern am Lagerfeuer beschlossen, die letzten beiden Tage gechillt ausklingen zu lassen. Beim Frühstück in der Morgensonne überlegen wir, was wir mit dem heutigen Tag anstellen wollen: Baden am Alice Lake oder doch nochmal wandern? Da wir ja auch noch kein Quartier für die letzte Nacht haben, schlage ich vor, erstmal hier, wo wir genug Platz um uns haben, vielleicht auch schon einen ersten Teil für die Rückreise zu packen. Schließlich sind wir bis in die letzten Poren von Siggi in unser Wohnmobil eingezogen. Das alles zusammenzusammeln und nachher in zwei Koffer zu verstauen, wird eine Wissenschaft für sich. „Sag mal, haben wir eigentlich schon Sitzplätze für unseren Heimflug?“ Gute Frage. Normalerweise buchen wir unsere Trips ja immer komplett eigenständig, da ist man mit solchen Sachen etwas aufmerksamer und konzentrierter. In den Tiefgründen von Siggi kramen wir die Reiseunterlagen hervor. Sitzplätze haben wir. Aber nicht für den Flug am Mittwoch, sondern am Dienstag. Dienstag ist morgen! Waaas???
Das ist das Ding mit den so lange im Voraus gebuchten Reisen. Da vergisst man schon mal, dass Ankunft Mittwoch nicht automatisch auch Rückflug am Mittwoch bedeutet, Stichwort Zeitverschiebung. Ups! Wir lachen über uns Chaoten und wie wir so verplant sein konnten. Es ist ja nicht so, dass das unsere erste Reise (auch nicht die erste in eine andere Zeitzone) wäre… Abrupt höre ich auf zu lachen: „Aber Schatz, das heißt ja, dass wir morgen zurückfliegen. Morgen ist alles vorbei. Ich will noch nicht nach Hause!“ Manu schaut mich mit entsetzten Augen an: „Ich auch nicht.“ Mehr fällt uns beiden dazu nicht ein und schweigend machen wir uns ein Bier aus dem Kühlschrank auf. Beim Schließen streichle ich die Tür des Kühlschranks, als würde Siggi mich spüren – mich, meine Liebe zu ihm und meinen Wehmut. Alkohol macht den letzten Tag auch nicht länger, aber die Tatsache erträglicher, und wir fangen an zu packen. Wir können einfach noch nicht gehen, wir haben doch noch den ganzen Kühlschrank voll… Angesichts der neuen Sachlage schmeißen wir uns nicht in Wander- sondern Badeklamotten und flitzen zum See.
Während wir da in der Sonne bei einem Glas Weißwein die Reise nochmal Revue passieren lassen, beginne ich mit meinem Reisetagebuch. Schon bei den ersten Sätzen muss ich grinsen. Denn ich weiß, es gibt keinen Grund zur Trauer. Ich höre es ganz tief in mir: Canada calling! Wir sind noch nicht mal weg, da ruft es uns schon wieder zurück! Und wir werden wieder kommen. Versprochen, Kanada!
Wow, ein echt toller Reisebericht über eure Tour durch den Westen Kanadas…Respekt! Beim Lesen haben Birgit (meine Frau) und ich ein DejaVu nach dem anderen. Bilder, Erfahrungen und Geschichten die wir in 2016 ebenfalls mit einem Navion bei einer vierwöchigen Tour durch British Columbien und Vancouver Island erleben durften. Tatsächlich sind einige Bilder in euren Blog nahezu identisch zu unseren Aufnahmen und ich kann dieses Hochgefühl während der Reise sehr sehr gut nachvollziehen.
Eure Erfahrungen mit SK und Markus Hövels kann ich nur ganz eindeutig bestätigen. Auch bei uns war er es, der den Ausschlag für die Buchung gegeben hat. Es hat einfach alles gepasst, was für uns Ersttäter einer solchen Reise besonders wichtig war.
Wir haben während unsere Reise eine Art Tagebuch über WordPress geführt. Eigentlich war es „nur“ als elektronisches Notizbuch gedacht, in dem wir unsere Erlebnisse mit dem ein oder anderen Bild festhalten….4 Wochen sind lang, es war unser erster großer Urlaub und da will man alles festhalten.
Am Ende ist es dann deutlich mehr geworden, hat einen heiden Spaß beim Schreiben gemacht und wir lesen es immer noch regelmäßig wieder durch. Nicht so professionell und toll bebildert, aber wenn ihr mögt schaut doch einfach mal rein…. http://jobikanada.wordpress.com
Uns hat definitiv der Canada Virus gepackt und die nächste Reise ist bereits gebucht….natürlich wieder bei SK.
Vielen Dank für die tollen Zeilen und Bilder
Jörg & Birgit
Hallo ihr beiden! Wir sind gerade auch über euren Blog geflogen und es ist ja wirklich verrückt! 🙂 MEGA COOL! Wir werden euch auf jeden Fall 2019 wieder verfolgen und haben Vancouver Island ganz weit nach oben auf unsere Reise-Wunschliste gesetzt. Für uns geht’s jetzt erstmal nach Afrika. Folgt uns doch auf Facebook…wenn wir das mit dem Internet hinbekommen, werden wir dort öfter mal was schreiben :-).