Magische Orte im Damaraland, von der Spitzkoppe über die Twyfelfountain bis zur ältesten Guestfarm Namibias. Warum Manu und ich hoffentlich niemals Zwillinge bekommen und warum man auf Reisen mit den Locals niemals politische Diskussionen anfangen sollte.
Das Wichtigste in Kürze:
- Übernachtung:
> 2 Nächte auf der Bambatsi Guestfarm (Camp) für 9 € pro Person pro Nacht - zurückgelegte Strecke:
> von Swakopmund bis zur Lodge ca. 360 km (reine Fahrtzeit 4:30 – 5:00 Stunden) - Things-to-do:
> unbedingt auf dem Weg bei der Spitzkoppe anhalten!
> Twyfelfountain und seine Felsmalereien
> Fingerklippe, der versteinerte Wald & ein Living Museum besuchen - Nice-to-know:
> Hier nicht nach Navi fahren, sondern die Karte zur Hand nehmen. Lest unten, warum!
> Wenn euch einheimische mit leeren Wasserflaschen anhalten wollen, stoppt nicht! Sie trinken kein Wasser aus Wasserflaschen und versuchen nur, euch anzuhalten und zu betteln.
Tag 7: Ein magischer Ort | Spitzkoppe
Ein letztes Frühstück auf unserer Terrasse mit Meerblick und weiter geht das Abenteuer. Hilde ist gepackt und wir sind wieder ready for Wildnis! Der erste Stopp: die Spitzkoppe – das Matterhorn Namibias.
Am Eingang bezahlen wir 60 NAD pro Person Eintritt, fürs Auto nochmal 80. Dafür bekommen wir eine oberflächliche Karte mit den wichtigsten Stopp-Points. Der überzeugenden Vorstellung des Rangers nach lässt sich erahnen, dass er den Preis je nach Lust und Laune definiert. Aber was soll’s, wir unterstützen damit ja immerhin die lokale Kultur. Wir fahren etwas tiefer ins Gelände und parken unsere Hilde an einen so halb erkennbaren Parkplatz, der eigentlich auch die Campsite hier sein könnte. Übernachten kann man hier theoretisch nämlich auch, sehr spartanisch zwar, aber dafür mitten in der Natur und umringt von dieser surrealen Felslandschaft. Dieser Ort hat uns jetzt schon in seinen Bann geschlossen, er wirkt mystisch. Und das am helllichten Tag. Am Rock Pool, der nicht wirklich einladend aussieht (stehendes Gewässer und so), treffen wir auf einen kleinen blau-orangenen Gecko, der schön für unsere Kamera posiert. Zu nahe würde ich ihm trotzdem nicht kommen wollen. Das Highlight ist der Bridge Rock und die Ausblicke auf die Umgebung. Aber seht selbst:
Auf der Suche nach den Wüstenelefanten im Damaraland
Die Damaras, die das Gelände verwalten und so ein tolles Beispiel für die Integration der namibischen Urvölker in den Tourismus darstellen, verkaufen in kreativ gestalteten Hütten aus Holz, leeren Dosen und Perlen ihre Souvenirs. Über Schotter und Sand bahnen wir uns den Weg am Brandberg-Massiv und der berühmten White Lady Felsmalerei entlang durch das weite Damaraland. Ab und zu taucht im Nichts eine Hütte auf. Kinder und Frauen, darunter viele Himbas mit den nackten Brüsten und den roten Rastahaaren, preisen ihre Handwerkskunst an oder tanzen in traditioneller Kleidung, um uns anzulocken.
Zweimal versuchen sie auch, uns mit dem leere-Wasserflaschen-Trick zum Anhalten zu bewegen. Darüber haben wir bereits im Namibia-Forum gelesen und waren vorgewarnt. Wir passieren das Gebiet der Wüstenelefanten, von denen wir außer auf dem Warnschild auf der Straße leider keine zu Gesicht bekommen; dafür aber haufenweise Esel, Rinder, wilde Pferde und Ziegen, bis wir nach über fünf Stunden endlich das Schild zur Farm erblicken.
Willkommen auf der ältesten Gästefarm Namibias
Vom Tor bis zur Bambatsi Farm sind es nochmal gut zehn Minuten Fahrt auf einer kleinen privaten Schotterpiste. Eine Warzenschwein-Mama verschwindet mit ihren zwei Ferkeln ins Gebüsch, das sind dann wohl einige unserer Mitbewohner für die nächsten zwei Tage. Gerald und Inge, die Gastgeber begrüßen uns im Guesthouse mit einem Willkommensdrink, den sie uns bei Abreise tatsächlich in Rechnung stellen. Man könnte glatt meinen, die beiden hätten ihre Wurzeln im Schwabenland. Haben sie nicht, sie sind Namibier in fünfter Generation; und sehr stolz drauf. Dazu aber später mehr. Von der Hauptfarm mit der schönen Pool-Terrasse hat man einen tollen Ausblick über diese sattgrüne Landschaft und das Wasserloch und ich frage sofort, wie es hier so grün sein kann. Mopane Bäume seien das, erklärt mir Gerald. Zwei Giraffen seien heute schon da gewesen. Ansonsten leben in seinem „nur“ 10.000 Hektar großen Land noch Zebras, Antilopen, Hyänen und einmal war auch ein Gepard gesichtet worden. Wir lachen über die unterschiedlichen Dimensions-Wahrnehmungen und fragen uns, ob Gerald in unserer Dreizimmerwohnung wohl Platzangst bekommen würde. Auf meine Frage, ob wir wegen der Tiere irgendetwas beachten müssten, lacht er laut: „Na, Fotos machen!“ Na dann…
Unser Camp liegt auf einem Hügel, knapp einen Kilometer von der Farm entfernt, es gibt drei Plätze, die sich einmal sanitären Anlagen teilen. Dass das Klo nur einen Vorhang und keine Decke hat, kennen wir ja, nur teilen mussten wir das bisher nicht. Wir haben die freie Wahl. Ein Schweizer Pärchen ist bereits da und hat sich den Premiumplatz mit alter Hollywood-Schaukel und Blick auf das Gelände gesichert. Etwas missmutig und weil wir nicht richtig geschaut haben, geben wir uns für diese Nacht mit dem hinteren Platz (ohne Aussicht) zufrieden, grillen an der Feuerstelle unsere erste Boerewors mit Bratkartoffeln, also ein richtiges afrikanisches Braai und käsen uns einfach zu den beiden Schweizern, um ein paar Fotos von diesem unglaublichen Sonnenuntergang zu schießen. Als wir kurz vor 21 Uhr alles diebessicher verstaut haben (laut Gerald wird die Gegend in den letzten Monaten von Banden heimgesucht) verkriechen wir uns mit den nächtlichen Wildnis-Geräuschen und nervigen Fliegen und Moskitos um uns herum in unser Zelt.
4 Tipps & Hinweise zur Übernachtung auf dem Bambatsi Camp:
- Die dritte Campsite befindet sich direkt neben der mit der Hollywood-Schaukel und bietet den gleichen Ausblick. Allerdings liegt die etwas versteckt weiter hinten. Suchen lohnt sich!
- Die sanitären Anlagen sind einfach, aber haben alles, was man braucht. Wissen sollte man aber, dass man sie teilen muss. Bei einem Klo ohne Dach und Tür nicht unbedingt Jedermann’s Sache.
- Der Welcome-Drink wird abgerechnet! Klingt doof und tat uns finanziell natürlich nicht weh, aber ich finde, das kann man vorher sagen. Wir kamen uns ein bisschen „verarscht“ vor, als die beiden Getränke beim Checkout auf der Rechnung standen…
- Mit den Gastgebern keine politischen Diskussionen anfangen!
Tag 8: Twyfelfountain & versteinerter Wald
Als ich zum ersten Mal blinzle, geht zu unseren Füßen die Sonne auf. Nachdem die ersten Sonnenstrahlen die Luft erwärmen und die letzten Moskitos in ihre Löcher verkrochen sind, kriechen wir aus den Schlafsäcken und machen Frühstück. Lustige Perlhühner mit den blauen Köpfen rasen quiekend durch die Gebüsche, ansonsten macht sich das Wildlife rar. Diebesbanden kamen heute Nacht auch keine vorbei und unsere Schweizer Nachbarn verabschieden sich. Also sichern wir uns für die zweite Nacht mit unseren Campingmöbeln erstmal die vordere Campsite und flitzen dann los in Richtung Twyfelfountain. Dass wir die Strecke teilweise wieder in die andere Richtung zurückfahren, war wohl eine blöde (oder gar keine?) Planung für den gestrigen Tag. Wir hätten gestern vielleicht doch früher starten und es direkt auf dem Herweg machen sollen. Aber so ist das nun mal, wenn man flexibel reist.
Das Google der Urzeit
Das Land ist seit einigen Jahren den Damaras zugestanden, Raymond unser Guide ist einer von ihnen. Er führt uns 45 Minuten durch die roten Felsbrocken, erklärt uns die Geschichte des Farmers Levin, der anzweifelte seine Schafsherde an der nur sporadisch Wasser führenden Quelle durchzubringen und damit diesem Ort seinen heutigen Namen gab. Die Felsgravuren sind mit Quarz in Sandstein eingemeißelt und zeigen hauptsächlich Tiere; Löwen, Antilopen, Elefanten, Nashörner, aber auch Robben und Pinguine; und Wasserlöcher. Die Wissenschaft ist sich nicht einig, woher und wann sie entstanden sind. Unsere Lieblingstheorie: Die Twyfelfountain ist das Google der Urzeit; ein Informationsaustausch für verschiedene Völker, um weiter zu geben, welche Tiere wo lebten und vor allem wo sich die Wasserlöcher befanden. Raymond ist gesprächig und lustig, haut zwischendurch ein paar deutsche Brocken raus, die ihm seine Gäste beigebracht haben. Außerdem ist er sehr neugierig und will viel wissen über unsere Politik, die Gesellschaft und über Familienplanung. Er habe sechs Kinder im Alter zwischen 10 und 20. Zwei seien aber eigentlich genug, denn Kinder sollten mehr Aufmerksamkeit bekommen. Er sei ja schon besser als sein Vater, denn er selbst habe neun Geschwister. Opa würde er langsam gerne werden, aber seine älteste Tochter habe ihren eigenen Kopf. Das klingt alles irgendwie gar nicht so nach afrikanischem Hinterland sondern ganz normal. Plötzlich grinst er uns an und meint, dass Manu und ich bestimmt irgendwann Zwillinge bekommen. „No jokes about that“, ermahne ich ihn und erzähle von meinen beiden Zwillingspatenkindern, die zwar ein schöner, aber dennoch unerwarteter Unfall waren. Wir müssen versprechen, ein Kind Raymond zu nennen, wenn seine Vision wahr wird. Wir lachen, aber als wir später abfahren, schicke ich Stoßgebete in den Himmel und an den Storch persönlich: Bitte keine Zwillinge! Elegant wechsle ich das Thema, in dem ich ihn bitte, mir ein paar Worte Klicksprache beizubringen. Ich weiß nicht, wer sich mehr darüber freut, dass ich mich gar nicht so schlecht schlage – er oder ich! Der Parkplatzwächter, der in der Zwischenzeit die Autos gehütet hat, ist jedenfalls ganz schön beeindruckt. Leider hielt es das Klicken nicht lange in meinem Gedächtnis aus. Aufschreiben konnte ich es ja nicht.
Never trust the GPS – Tankstelle statt Living Museum
Den Rückweg verdatteln wir leider, weil wir blind nach Navi fahren und damit den versteinerten Wald und das Damara Living Museum verpassen, was wir so gerne auch noch gesehen hätten. Stattdessen holpern wir wieder über irgendwelche kaum befahrbaren Schotterpisten zurück Richtung Bambatsi. In Khorixa, der nächstgrößeren Stadt, gehen wir tanken. Hier ist ganz schön was los. Dicke Frauen in bunten Kleidern und passenden Kopfbedeckungen steigen in alte Mercedes Limousinen, alte Männer mit leeren Wasserkanistern suchen in den Mülleimern nach Brauchbarem und Kids spielen mit leeren Dosen Fußball, zwei Teenie-Mädchen kichern und spielen mit ihren Haaren herum. Der ganz normale Wahnsinn in Namibia. Während Manu tankt und ich das Treiben hier beobachte, fällt mir auf, dass Frauen und Männer hier in allen Jobs gleichermaßen arbeiten; als Tourguides, Tankwart, Putzpersonal oder an der Rezeption. Namibia, da habt ihr uns wohl was voraus. Wer braucht da schon ein Living Museum, wir hängen einfach 15 Minuten an der Tankstelle ab.
Bei einem letzten Abstecher zur Fingerklippe mit kurzer Allrad-Strecke lohnt es sich tatsächlich bis ganz nach oben zu laufen oder zu fahren. Das ist weder zu Fuß noch im Auto sehr lange, sollte aber definitiv per Auto nur dann gemacht werden, wenn man einen fahrbaren Untersatz mit 4×4 hat, denn hier geht’s ganz schön steil und holprig rauf und runter.
…und einer grandiosen Aussicht auf das umliegende Land!
Als ich auf dem Rückweg zur Guestfarm das Tor zur Straße hin schließe, erspähe ich direkt am Zaun drei der Giraffen. Wir fahren direkt auf sie zu und ruhig beobachten wir uns mit einem respektvollen Abstand gegenseitig. Wer hier wohl wen seltsamer findet?
Reise-Regel Nummer 1: Keine politischen Diskussionen mit Einheimischen | Namibia ist NICHT deutsch
Oben am Guesthouse chillen wir noch eine Runde am Pool mit den anderen Gästen, die wir bei Ankunft kennengelernt haben, und tauschen uns über die heutigen Erlebnisse aus. Das gestrige Dinner war wohl eine hitzige Südwestler-Polit-Diskussion, die damit geendet ist, dass Gerald wutentbrannt den Raum verlassen hat. Was wir Europäer uns immer einbilden, zu glauben, wir sollten hier die Welt verbessern? Alles im Griff hatten sie bis noch vor wenigen Jahren. War vielleicht doch besser, dass wir keinen Platz mehr zum Abendessen bekommen haben. Mit solchen patriotischen Ansichten, die nicht unbedingt wohlwollend die schwarze Bevölkerung miteinschließen, tun wir uns sehr schwer. Eine ähnliche Situation hatte wir damals in Südafrika und leider gehören wir beide nicht zu der Sorte, die bei solchen Zweiklassen-Gesellschafts-Patrioten die Klappe halten. Und wenn wir auf unseren Reisen eins gelernt haben: Über Politik und Religion spricht man besser nicht.
Auch ein Learning aus diesem Aufenthalt? Die deutschen Namibier betrachten sich nicht als Deutsche. „Wir sind Namibier, in fünfter Generation“ – so hat sich Gerald vorgestellt auf meine Frage hin, ob er hier geboren oder ausgewandert sei. Generell sollte man sich nicht von der deutschen Muttersprache blenden lassen. Diese Menschen haben andere Ansichten, kommen aus einer anderen Welt und waren teilweise noch nicht mal in Europa. Das soll nicht heißen, dass das schlechter sein muss. Wir wollen damit nur klarmachen, dass es definitiv Unterschiede gibt, auch wenn die gemeinsame Sprache eine unbewusste Verbindung schafft.
Heute Abend genießen wir von unserem Frontrow-Stellplatz von der Hollywoodschaukel aus die untergehende Sonne und grillen in aller Ruhe (im wahrsten Sinne des Wortes) und ohne Diskussionen Steak und Gemüse. Einzig und allein die kleinen Mücken nerven, die wirklich in alle Löcher zu kriechen versuchen. Als die mit der Dunkelheit durch die fiesen Moskitos ausgetauscht werden, sprühen wir uns schnell mit Peaceful Sleep ein. Ein paar Stiche haben wir schon; gut, dass wir heute mit der Malaria-Prophylaxe starten. Cheers und runter mit der Pille! Wir bestaunen noch eine Weile den krassen Sternenhimmel mit Milchstraße und kriechen mit dem letzten Zirpen der Grillen ins Zelt. Morgen wollen wir früh los!
Hallo Miri,
Vielen Dank für eueren super Beitrag, sind gerade selber unsere Route am planen.
Kannst du uns sagen über welche Strassen ihr von Swakopmund über Spitzkoppe, Brandberg zu euerer Unterkunft Bambatsi Guestfarm gefahren seit und wie lange ihr unterwegs wart?
Würdet ihr etwas an der Route ändern?
Danke und schöne Grüße
Bianca
Hallo liebe Bianca, wie schön – freut euch auf ein riesiges Abenteuer. Genau können wir die konkrete Route nicht mehr reflektieren, raten euch aber eins: die Straßenverhältnisse (waren damals zumindest) sehr abenteuerlich; plant also immer genügend Zeit ein, egal was Navi oder Google Maps sagen. Der Weg ist das Ziel, kurze Abwege bringen meist die prägendsten Erfahrungen. Und nein, die Route würden wir wieder genauso machen, es war eine einzigartige Reise! Liebe Grüße