Nach Sand und Wüste treibt es uns nun ans Meer: In Swakopmund begeben wir uns bei kühlem Atlantik-Wind auf Spurensuche durch die deutsche Vergangenheit, versuchen die Big Ocean Five auf dem Wasser ausfindig zu machen und schlemmen und genießen Seafood, Wein und leckeren Kuchen bei sagenhaften Sonnenuntergängen.
Das Wichtigste in Kürze
- Übernachtung:
> 2 Nächte im Swakopmund Sea Wind Self Catering Cottage für ca. 66 € pro Nacht - zurückgelegte Strecke:
> ca. 344 km (reine Fahrzeit ca. 4:22 Stunden) - Things-to-do:
> unterwegs am Kuiseb Canyon halten
> Bootstour zur Robbenkolonie inklusive Delfin- und mit etwas Glück auch Wal-Watching
> Little Five Tour oder Quadbiken in den Sanddünen (haben wir selbst nicht gemacht)
> Einen Kuchen im Café Anton essen und Seafod im Bluegrass Restaurant
Tag 5: Vom Backofen in den Kühlschrank – Willkommen in Swakopmund
Die Nacht war stürmisch und kurz, der Sand hat sich gelegt aber es windet noch immer. Wir beschließen daher das Frühstück auf irgendwo anders hin zu verlegen. Sandkörner hatten wir zum Dinner schon genug. Heute geht’s sowieso wieder zurück in die Zivilisation nach Swakopmund, dem südlichsten Nordseebad Deutschlands. Schauen wir mal, was wir auf den Spuren der Kolonialzeit dort noch Heimisches finden. Bis dahin liegen knapp 350 Kilometer vor uns, deren Landschaften nicht unterschiedlicher sein könnten. Im Rückspiegel sehen wir die letzten Ausläufer der roten Dünen von Sossusvlei, vor uns saftig gelb-grüne Steppenlandschaft mit Bergformationen wie von einem anderen Planeten. In Solitaire beeindrucken uns die alten Autowracks. In der Ferne hüpfen die Oryx-Antilopen und Springböcke um die Wette, ein Streifengnu am Straßenrand posiert für unsere Kamera. Als wir kurz darauf abrupt abbremsen müssen, weil von rechts ein Strauß über die Straße schießt, will ich die Kamera gar nicht mehr weglegen…
Ein weiteres Highlight dieser Strecke: der Kuiseb Canyon – kaum vorstellbar, dass zwei deutsche Geologen während des zweiten Weltkrieges hierher flüchteten und für zwei Jahre inmitten der schwarzen Felsschluchten lebten. (Darüber gibt es auch ein Buch: Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste von Henno Martin)
Als wir Walvis Bay, der etwas südlicheren Hafenstadt, die einst zu Südafrika gehörte, näherkommen, wird die Landschaft schlagartig ebener. Und wieder sandiger. Hier bahnt sich die Straße ihren Weg durch die Dünen. Unser Versuch, im Café Probst für ein leckeres Sandwich zwischenzustoppen und endlich unser Frühstück nachzuholen, scheitert, weil heute Sonntag und sonntags geschlossen ist. Als wir vor der verschlossenen Tür stehen, erschrecken wir ein bisschen, weil wir gar nicht realisiert haben, wie schnell die ersten Tage unserer Reise vergangen sind. Gescheitert ist auch mein erster Versuch, unsere Hilde in einen „richtigen“ Parkplatz in der Stadt zu parken. Linke Vorderreifen und ich sind einfach keine gute Kombination – weder als Links- noch als Rechtslenkerin. (Kurzer Schwank dazu: Manus linke Vorderreifen-Felge musste kurz vor Abflug in einem aber auch echt sehr engen Parkhaus leider auch dran glauben…)
Wir sind etwas unschlüssig, was wir hier an der Atlantikküste und Adrenalin-Hochburg Swakopmund morgen alles unternehmen sollen – die Auswahl ist riesig: Little Five Tour oder Quadbiken in den Sanddünen oder eine geführte 4×4-Tour nach Sandwich Harbour klingen super. Da wir den morgigen Tag aber zum Einkaufen nutzen und auch ein bisschen chillen wollen, entscheiden wir uns für die halbtägige Bootstour mit Ocean Adventures. Die haben Freunde von uns nämlich letzte Woche gemacht und für gut befunden. Warum also noch länger recherchieren… Die Little Five Tours hatten wir zum Teil ja quasi auf eigene Faust bei unserer Dünenwanderung in Sossusvlei, Sandwich Harbour wäre uns zu lang und Quadbiken waren wir schon öfters; zumal das hier sowieso umstritten ist wegen der Gefahr für die kleinen Tierchen, die in den Sanddünen leben.
In unserem Guesthouse etwas außerhalb des Stadtzentrums werden wir am Nachmittag freundlich empfangen und freuen uns über das kostenlose Upgrade in ein größeres Apartment. Im Cottage Nr. 5 wohnen wir im oberen Stock, und haben die Auswahl zwischen zwei Schlafzimmern mit Meerblick, von denen ich eins direkt zum Gepäckzimmer ernenne. Wow, was für ein Gefühl – von unserem 2 x 2 Meter Zelt zu einem Apartment mit vier Betten (die wir zwar nicht brauchen und auch nicht nutzen werden, aber es fühlt sich trotzdem gut an). Unter der großen Dusche waschen wir uns den restlichen Sand aus den Ritzen und fühlen uns nach Tagen voller Sand, Sonnencreme und Anti-Moskitospray zum ersten Mal wieder richtig sauber. Frisch gepudert und wegen des kühlen Winds in langer Hose und mit Jacke fahren wir in die Stadt. Swakopmund ist heute, am Sonntag, ruhig, die Straßen leer. Das Zentrum beschränkt sich auf einige Querstraßen und ist gut zu Fuß erkundbar. Unser spontaner Versuch im berühmten Restaurant Jetty 1905 einen Tisch zu bekommen, scheitern kläglich. Wer dort also essen möchte, sollte unbedingt vorher reservieren! Das Gleiche gilt im Übrigen auch für das Restaurant The Tug, am anderen Ende des Jettys. Wir pilgern stattdessen weiter zur Tiger Reef Bar (die übrigens zum Jetty 1905 dazu gehört!). Der Sonnenuntergang hier ist der gleiche wie weiter vorne, das Seafood ist auch okay und kostet dafür nur einen Bruchteil dessen, was wir in einem der anderen beiden Restaurants hätten bezahlen müssen. Hier sitzt man zwar hinter einer Scheibe, aber das Reetdach ist nicht luftdicht verschlossen. Trotz Jacke und Schal treibt uns die Kälte (es hat ca. 16 Grad) irgendwann zurück in unser Apartment. Schön, dass wir heute ein festes Dach über dem Kopf haben und eine richtiges Bett. Eingewickelt in eine Kuscheldecke trinken wir auf unserem Sofa vor dem Fernseher noch einen Absacker und verfallen einer namibischen Soap, deren Geschichten im Township spielen, bevor wir brotfertig ins Bett fallen.
Tag 6: Auf der Jagd nach den Big Ocean Five
Der Wecker reißt Manu aus dem Tiefschlaf, ich bin schon wach, herrlich ausgeschlafen, nicht klebrig, nicht schwitzig, nicht eingeengt oder dem Geräuschpegel der Natur ausgeliefert. Ich muss ja zugeben, dass ich das Campen an sich gar nicht so übel finde (vor allem hier in Namibia), aber zwischendurch ein richtiges Bett und eine eigene Dusche sind schon auch was Feines. Ein schnelles Frühstück und schon steht unser Pick-Up Service von Ocean Adventures nicht nur pünktlich, sondern sogar zehn Minuten zu früh vor der Tür. Und das in Afrika! German Pünktlichkeit gibt’s also in Swakopmund. In einem Kleinbus werden wir nach Walvis Bay gebracht, unterwegs steigen weitere Gäste zu und wir treffen das holländische Pärchen, das mit uns die Dünen im Sossusvlei erklommen hat. Die Welt ist ein Dorf, auch in Namibia. Nach einem Zwischenstopp bei den vielen Flamingos in der Walvis Bay Lagune und einer anschließenden kurzen Einweisung im Hafen von Walvis Bay durch unseren lustigen Tourguide legt unser Katamaran ab.
Kaum auf dem Wasser landet der erste Pelikan an Deck – man sind die riesig, wenn die so direkt vor dir sitzen!
Es dauert nicht lange, bis auch die erste Robbe auf’s Boot ploppt. Keine zum Anfassen, mahnt unser Guide! Er hat uns zu Beginn der Fahrt erklärt, dass es fünf mehr oder weniger zahme, wenn auch immer noch wilde, Robben hier gibt, die die Boote regelmäßig besuchen. Nur eine davon, nämlich Boo, ist so zahm, dass man ihn streicheln und für ein Foto umarmen kann. Bei allen anderen sollte man besser die Finger davon lassen. Mein Drang, eine nasse Robbe anzufassen, hält sich sowieso in Grenzen. Natürlich ist das hier Kommerz und ja, die Robben werden mit Fischen gefüttert, aber die Launen der Tiere werden respektiert und man hat nicht das Gefühl, dass es der Robbe schlecht geht damit.
Wir schippern an der Landzunge die Lagune entlang, vorbei am Leuchtturm in Richtung Pelican Point zu den Robbenkolonien. Einige von ihnen hüpfen schon neugierig um unser Boot herum. Gerade ist Paarungszeit, die Weibchen an Land warten auf die paarungsbereiten Männchen, die mit ihren stattlichen 1,70 Metern Körpergröße umso attraktiver sind, je dicker sie sind. Sympathisch, oder? Die Weibchen sind bis auf die eine Woche, in der das Baby zur Welt gebracht wird, immer schwanger – was für Geburtsmaschinen! Außer den Schakalen an Land haben sie keine natürlichen Feinde in Namibia. Deshalb gibt es hier im Land mit knapp 2,5 Millionen eine explodierte und größere Population an Robben als an Menschen. Die Geräuschkulisse ist krass. Und auch der Duft. Wir wollen gar nicht mehr wissen, wie es weiter nördlich am Cape Cross an der Skeleton Coast ist, wo Abertausende dieser Tiere leben.
Wir passieren eine Austernfarm. Weil keine Flüsse in den Atlantik fließen und damit die Frischwasserzufuhr fehlt, konnten Austern hier auf natürlichem Wege nie wachsen, bis der „clevere Manuel“ irgendwann vor 30 Jahren ein System entwickelt hat, das mittels Stromschlägen dieses Problem irgendwie umgehen kann. Durch das an Mineralien reichhaltige Wasser im Benguela-Strom wachsen sie nun tatsächlich hier im Gewässer, und auch noch schneller als sonst wo auf der Welt. Laut Guide schlägt sich das auf den Geschmack nieder: Manu probiert die angeblich weltbesten Austern, ich nicht. Ich finde das glibbrige Supfen einfach eklig. Da wir sonst nicht so oft Austern essen, hat auch Manu keinen großen Vergleich, holt sich aber noch eine zweite. Also wird wohl zumindest ein bisschen was dran sein. Ich persönlich glaube ja, er hat sich nur deshalb überwunden zu probieren, weil er seinem cleveren Namensvetter alle Ehre machen wollte.
Auch viele Tanker parken hier in der Bucht. Aktuell werden sie nicht benötigt, erfahren wir von unserem Guide, und parken hier in der ruhigen Lagune zwischen; zusammengebunden mit bis zu sieben anderen Tankern, um Lagerplatz-Gebühren zu sparen. Was für ein skurriles Bild!
Als Highlight der Bootsfahrt spielen ein paar Benguela Delfine mit den Kufen unseres Katamarans, tauchen kurz auf und wieder ab. Die kleinsten Delfine der Welt haben einen weißen Streifen an der Seite und leben nur hier. Sie gehören mit Wal, Schildkröte, Mole und Robbe zu den Big Ocean Five. Sechs bis acht Mal pro Tag haben sie Sex, die Frauchen mit allen Männchen. Vergnügen sei einer Gründe, aber auch deshalb, damit jeder Delfin-Mann denkt, das Neugeborene sei sein Junges. Andernfalls würde er es verstoßen. Delfin-Frauen sind so klug. Gut, dass sie keine Alimente beziehen dürfen. Also kurzweilig und interessant ist es hier auf dem Boot, wir lernen ziemlich außergewöhnliche Dinge.
Zum krönenden Abschluss schaut dann tatsächlich auch noch Boo vorbei und lässt sich wie angekündigt mit Freiwilligen ablichten, während sich der Rest den Bauch mit Lunch-Snacks, Bier und süßem Sekt voll haut. Ein bisschen Alkohol zum Aufwärmen, wir sind leicht durchgefroren vom kühlen Atlantik-Fahrtwind.
Zurück „zuhause“ hüpfen wir unter die heiße Dusche. Nach dem Mittagschläfchen gönnen wir uns im berühmten Café Anton dann einen Kaffee und Kuchen. Die klischeehafte Schwarzwälder Kirschtorte lassen wir stehen (sie sieht aber wirklich original aus) und entscheiden uns stattdessen für einen Käsekuchen mit Mandarinen und einen Apfelkuchen; beides lecker aber für uns etwas zu süß. Das Interieur des Cafés? Original ein altes, deutsches Oma-Café mit Wandmalerei und der typischen Theke zur Kuchenauslage. Manu erzählt, dass genau so das leider schon lange nicht mehr existierende Bäckerei-Café seines Opas ausgesehen hat. Die schwarze Kellnerin bedient uns auf deutsch, zumindest mit den Fetzen, die sie sagen kann. Als ich auf ihre Frage „Zahlen?“ irgendetwas anderes als nur „ja“ sage, ist sie leicht überfordert. Naja, es ist dann wohl doch nicht ganz so krass, wie viele erzählen, aber trotzdem skurril.
Wir shoppen noch ein paar Souvenirs im Zentrum und schmunzeln über die deutschen Überreste an Architektur, Laden- und Straßenschildern, im Hansa Brauhaus trinken wir bei der typisch-deutsch-grummeligen Barkeeperin ein Bier und im Spar Supermarkt füllen wir unsere Vorräte auf. Hier mangelt es an nichts, was es bei uns auch gibt. Wir schmunzeln nicht nur über die vielen deutschen Produkte (und kommen nicht umher einen Erasco Linseneintopf für ein künftiges Camper-Dinner zu kaufen), sondern auch und vor allem über die schwarze, traditionell gekleidete Oma hinter uns an der Kasse, die ihre Enkelin auf fließend deutsch ermahnt, die Kaugummis nicht anzufassen.
Unser absoluter Top-Tipp für Swakopmund: Pünktlich zum Sonnenuntergang sitzen wir im Bluegrass Restaurant bei unserem Guesthouse um die Ecke. Denn das Essen ist hervorragend, dazu ein guter Wein und das alles zu fairen Preisen, das Personal grandios freundlich und kompetent. Unsere Kellnerin Rezelda erzählt, dass sie auch schon mal im Etosha war, leider aber keinen einzigen Elefanten gesehen hatte und deshalb super traurig war. Wir beschließen, ihr unbedingt unser erstes Elefanten-Foto zu schicken…